Volkstrauertag 2020

Liebe Schützenbrüder!

Liebe Einwohner unserer Heimatorte Grevenbrück, Bonzel und Germaniahütte!

Der Volkstrauertag ist die nächste Veranstaltung unseres Vereins, die dem Corona-Virus und den damit einhergehenden Beschränkungen zum Opfer fällt. Traditionell ziehen die Grevenbrücker Schützen alljährlich zwei Wochen vor dem ersten Advent nach dem Hochamt zur Kranzniederlegung am „Mälo“ und dann zum Ehrenmal „Im Planken“, wo in einem Festakt der Gefallenen unserer Heimatorte gedacht wird. Im Wechsel richten der Ehrenvorsitzende und der Erste Vorsitzende des Schützenvereins ein paar Worte zu Hintergrund und Bedeutung dieses Tages an die Anwesenden. Der erstmalige Ausfall dieser Veranstaltung ist betrüblich und doch bietet er die Möglichkeit, auf diesem Weg ein paar Gedanken zu formulieren.

„Welche Bedeutung hat der Volkstrauertag, insbesondere noch in unserer heutigen Zeit?“ Das ist eine zentrale Frage, die in diesem Zusammenhang immer wieder auftaucht.102 Jahre nach dem Ende des Ersten und 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs könnte man die Auffassung vertreten, dass dieser Gedenktag allenfalls für die verbliebenen, wenigen Zeitzeugen einen besonderen Wert hat, die immer noch um einen Angehörigen oder Freund im Wortsinn trauern, im Übrigen aber das Leid der Weltkriege einer vergangenen Zeit angehört und wir besser daran täten, im Hier und Jetzt zu leben und den Blick nach vorne zu richten.

Im ersten Weltkrieg ließen fast 10 Millionen Soldaten ihr Leben. Im Zweiten Weltkrieg und an dessen Folgen starben weltweit bis zu 80 Millionen Menschen.

Kalte Zahlen! Unbegreifliche Zahlen!

Würden die gesamten Kriegstoten der beiden Weltkriege hintereinander durch unseren Ort gehen, würde das über drei Jahre dauern. Das Ausmaß an Leid, dass die Kriege des letzten Jahrhunderts über die Welt gebracht haben, ist unvorstellbar. Denn hinter jedem Opfer von Krieg und Gewalt, hinter jedem Soldaten, jedem Vertriebenen, jedem Geflüchteten, jedem Verfolgten, hinter jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind steht eine eigene persönliche Geschichte, ein eigenes Menschenleben mit all seiner Einzigartigkeit, all seinen Sorgen und all seiner Würde. Oder wie Heinrich Heine es einmal ausgedrückt hat: „Unter jedem Grabstein liegt eine Weltgeschichte.“

Die unter dem Namen „Augusterlebnis“ bekannte Euphorie und Begeisterung junger Menschen, die es im August 1914 kaum erwarten konnten, in den Krieg zu ziehen, steht in diametralem Gegensatz zu unserer heutigen Sicht, ja sogar zu der Sicht, die sich nur wenige Monate danach auf den Schlachtfeldern Europas bot. Die Bilder von jubelnden Menschenmassen in Erwartung eines glorreichen Blitzkrieges sind schwer zu verstehen. Und doch zeigt sich im Laufe der Geschichte und auch in unserer von Kriegen, Terror und antidemokratischen Ideologien geprägten Gegenwart immer wieder: Der Mensch neigt dazu, schwerwiegende Fehler erneut zu begehen, nämlich immer da, wo er vergisst, wo Wissen mit der Zeit und im Wechsel der Generationen verloren geht.

Und deswegen haben wir die Verantwortung, dass dieses Wissen und diese Erinnerung nicht verloren gehen. Und damit meine ich nicht nur den Schulunterricht, Geschichtsbücher oder Kriegsdokumentationen, sondern an diesem Tag vor allem auch konkret das Wissen hier bei uns in unseren Heimatorten. Damit meine ich die Geschichten, die uns unsere Großeltern, unsere Eltern und die wenigen noch lebenden Zeugen aus dieser Zeit erzählt haben. Damit meine ich das, was in unseren Orten durch Stolpersteine, in Ausstellungen und Büchern sichtbar ist und bleiben muss. Und damit meine ich die Namen, die auf unserem Ehrenmal im Planken in Stein gemeißelt sind. Dieses Wissen zu bewahren, um es unserem politischen und gesellschaftlichen Handeln zugrunde zu legen, das ist unsere Verpflichtung. Und darum geht es, wenn wir uns am Volkstrauertag versammeln und gemeinsam derer gedenken, die ihr Leben auf so schreckliche Weise verloren haben.

„Haltet Frieden“

mahnt uns die Inschrift auf dem Ehrenmal. Wie zerbrechlich dieser Frieden und unsere vermeintlich sichere Situation hier in Deutschland sind, wird uns in diesen Tagen immer wieder vor Augen geführt. Die vom Rat der Zeitschrift „Bulletin of the Atomic Scientists“, in dem zurzeit 17 Nobelpreisträger sitzen, 1947 eingeführte Weltuntergangsuhr, auch Atomkriegsuhr, wurde vor wenigen Tagen angesichts der internationalen politischen Lage auf den Höchststand 100 Sekunden vor zwölf gestellt. Und gerade das Jahr 2020 hat uns auf schonungslose Weise gezeigt, dass wir uns auch als Teil der sogenannten Wohlstandsgesellschaft nur vermeintlich in Sicherheit wiegen. Es liegt daher in der Verantwortung jedes Einzelnen weiter daran zu arbeiten, Frieden zu schaffen, hier bei uns und in der Welt.

In diesem Jahr werden Offiziere des Schützenvereins an den Ehrenmälern „Mälo“ und „Im Planken“ Kränze niederlegen. Ich lade Sie und Euch alle herzlich ein, ebenfalls in stillem Gedenken diese Denkmale unserer Ortsgeschichte zu besuchen und hoffe, dass wir im nächsten Jahr hierzu wieder gemeinsam zusammenkommen können. Und besonders hoffe ich, dass sich insbesondere der ein oder andere junge Mensch, für den der Volkstrauertag bisher keine wesentliche Bedeutung hatte, dann entschließt, an der Gedenkveranstaltung teilzunehmen.

Ich wünsche Ihnen und Euch im Namen des ganzen Schützenvorstands eine gesegnete und friedvolle Advents- und Weihnachtszeit und in diesen Tagen weiterhin vor allem Gesundheit.

Mathias Tigges

1. Vorsitzender des Schützenvereins St. Blasius 1865 Grevenbrück e.V.

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